Interview mit dem Gesundheitsunternehmer Professor Heinz Lohmann
Prof. Heinz Lohmann bringt die Vertreter der Gesundheitsbranche zusammen und und setzt sich unermüdlich für eine gelebte Patientenzentrierung ein. Es freut mich sehr, dass er sich für ein Interview zum Thema Patientenerlebnis bereit erklärt hat.
Wie beurteilen Sie die zukünftige Bedeutung des Patientenerlebnisses im Gesundheitswesen?
Prof. Lohmann:
„Einweisen, zuweisen, überweisen“, diese Begriffe sprechen eine verräterische Sprache. Da ist keine aktive Rolle für den Patienten vorgesehen. Der wird aber immer souveräner und ist inzwischen auch schon ein wenig Konsument. Das wird sich in Zukunft verstärken. Zum einen können Patienten heute leichter an Informationen gelangen. „Dr. Google“ und das Internet machen’s möglich. Das war vor wenigen Jahren noch völlig undenkbar. Zum anderen haben wir bisher in der überwiegenden Zahl, nämlich der 70jährigen und älteren, Kriegs- und unmittelbare Nachkriegsgenerationen behandelt, die mit Entbehrungen und Mangel aufgewachsen sind. Ihre Erwartungshaltung ist maßgeblich durch diese Erfahrung geprägt. Die künftig mehrheitlich auf die Gesundheitsanbieter zukommenden Menschen sind in den Zeiten des Wirtschaftswunders sozialisiert und seit der Jugend an eine aktive Konsumentenrolle gewohnt. Sie werden die Akteure in unserer Branche ganz anders herausfordern.
Alle reden von Patientenzentrierung … tut sich auch was?
Prof. Lohmann:
Krankenhäuser sind traditionell Expertenorganisationen. Grund dafür ist, dass der Gesundheitsmarkt bisher von der Anbieterseite dominiert wurde. Die Nachfrageseite hat praktisch keine Rolle gespielt. Solche Märkte sind Institutionen zentriert. Das ist heute gefährlich, weil Patienten sich für Institutionen im Gegensatz zu den Experten wenig interessieren. Das Patienteninteresse ist zu allererst auf die Art der Behandlung gerichtet und deshalb Prozess orientiert.
Die Medizin ist bisher Ressourcen zentriert. Was vorhanden ist, wird eingesetzt. Das gilt für die Mitarbeiter, ihr Wissen und ihre Erfahrung, sowie für die vorhandene Technik und die vorgefundenen Medizingeräte und Laborleistungen, aber auch für die Organisation. Deswegen ist die Behandlung überall unterschiedlich und sogar am Samstag anders als am Montag. Das ist deshalb nicht länger akzeptabel, weil Patienten mehr und mehr ein stabiles Leistungsversprechen erwarten. Deshalb muss die Medizin jetzt „vom Kopf auf die Füße gestellt“ werden, um sie auf die Bedürfnisse der Patienten auszurichten.
Wie wirkt sich die Digitalisierung auf das Patientenerlebnis aus?
Prof. Lohmann:
Der Fokus muss eindeutig auf die wachsenden Ansprüche der Patienten gerichtet werden. Das Patientenerlebnis muss ab sofort mehr als eine unverbindliche Floskel sein. Alle Beteiligten, Ärzte und Krankenpflegekräfte, aber auch Manager und Techniker sind zur Aktion aufgerufen. Es gilt, die Behandlungsprozesse im Detail zu strukturieren und damit einem digitalen Workflow zugänglich zu machen. Damit können einerseits die rarer werdenden Expertinnen und Experten von Routinetätigkeiten aller Art entlastet werden und andererseits die Arbeitsabläufe stabilisiert werden. Darüber hinaus kann durch die Digitalisierung deutlich wissensbasierter gearbeitet und damit für die Patienten erhebliche Vorteile generiert werden.
In welchem Verhältnis stehen Kosten und Nutzen des Patientenerlebnisses?
Prof. Lohmann:
Die Gesundheitswirtschaft ist bereits, wenn auch noch nicht von allen erkannt, in einem gewaltigen Transformationsprozess. Neue Player aus ganz anderen Branchen sind im Vormarsch. Sie kennen sich mit den Erwartungen von Konsumenten exzellent aus und sind in ihrem Denken den traditionellen Akteuren der Gesundheitswirtschaft weit überlegen. Die müssen sich jetzt sputen, sonst werden sie in den kommenden Jahren links und rechts überholt.
Es gibt keine Alternative zur konsequenten Ausrichtung auf die Patienten. Und strukturierte Prozesse, die die Qualität der Medizin und des Services erhöhen und damit das Patientenerlebnis verbessern, wirken sich auch positiv auf die Produktivität aus. Das bisherige „Improvisationstheater“ bei den Abläufen der Gesundheitsanbieter ist ineffizient. Gezielte Investitionen zur Optimierung des Patientenerlebnisses rechnen sich. Ökonomie und Humanität sind hierbei kein Widerspruch.
Foto: LOHMANN konzept / Bertram Solcher
Heinz Lohmann übte nach dem Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften leitende Tätigkeiten in der privaten Wirtschaft und im öffentlichen Sektor, davon fast 40 Jahre in der Gesundheitswirtschaft, aus. Heute ist er Gesundheitsunternehmer, u.a. LOHMANN konzept GmbH und WISO HANSE management GmbH in Hamburg sowie agentur gesundheitswirtschaft gmbh in Wien. Er ist Ehrenvorsitzender der Initiative Gesundheitswirtschaft e.V. in Berlin und Professor der HAW Hamburg. Er ist Präsident des GESUNDHEITSWIRTSCHAFTSKONGRESSES in Hamburg und des ÖSTERREICHISCHEN GESUNHDIETSWIRTSCHAFTS-KONGRESSES in Wien sowie Wissenschaftlicher Leiter des Managementkongresses KKR des Hauptstadtkongresses in Berlin. Er ist Autor zahlreicher Publikationen und Gastgeber des TV-Talks „Mensch Wirtschaft!“. Lohmann ist Förderer und Sammler experimenteller Gegenwartskunst.