Ein Interview mit Monja Gerigk, Leiterin des Instituts für PatientenErleben
In der Universitätsmedizin Essen gibt es etwas, das deutschlandweit einzigartig ist:
Das Institut für PatientenErleben.
Die Universitätsmedizin Essen hat sich der Vision verschrieben, neben dem Angebot von Spitzenmedizin ein wegweisendes positives PatientenErleben zu schaffen. Das hat uns neugierig gemacht. Wir haben uns deshalb mit Monja Gerigk getroffen. Sie ist die Leiterin des Instituts und hat uns Fragen zu ihren Zielen und ihrer täglichen Arbeit beantwortet.
Frau Gerigk, das Institut für PatientenErleben ist in Deutschland eine Besonderheit. Warum wird am UME in das Patientenerleben investiert?
Gerigk:
Das Institut für PatientenErleben steht für Humanität in einem ökonomisierten Gesundheitswesen. Unsere Aufgabe ist es, Mitarbeitende für die Bedürfnisse von kranken Menschen und deren Angehörigen zu sensibilisieren und teilweise auch zu resensibilisieren. Diese gehen im Krankenhausalltag nicht selten unter, da die Anforderungen an die Institution Krankenhaus stark gestiegen sind und es weniger Zeit für persönliche Zuwendung gibt.
Darüber hinaus tragen wir dazu bei, die digitale Transformation im Gesundheitswesen patientenzentriert zu denken und zu gestalten. Das heißt praktisch, Patienten und deren Angehörige aktiv in neue Entwicklungen einzubeziehen, zum Beispiel beim Thema Patientenportal. Welche Wünsche, Anforderungen und Anregungen haben die „Kunden“ an unser Portal?
Unsere Haltung ist: Wir sprechen mit den Erkrankten und Angehörigen und nicht über sie. So können wir Dienstleistungen entwickeln, die für den Erkrankten und sein Umfeld einen Nutzen haben. Dazu gehört zum Beispiel, Patienten mit validen Informationen zu Gesund- und Krankheit zu versorgen. Wenn Patienten in medizinische Entscheidungen einbezogen werden, steigen die Chancen für eine erfolgreiche Behandlung nachweislich. Dafür brauchen sie verständliche Informationen zu Ihrer Erkrankung und den Untersuchungsmethoden, aber zum Beispiel auch zu Ernährung oder Stressbewältigung. Dieses so genannte Patientenempowerment kann die Gesundheitsversorgung entscheidend verbessern.
Lässt sich PatientenErleben messen?
Gerigk:
Schon seit vielen Jahren gibt es Befragungen in Krankenhäusern zum Thema Patientenzufriedenheit mit den unterschiedlichsten Fragebögen. Trotz der Befragungen und vielen Umsetzungsmaßnahmen zur Verbesserung der Zufriedenheit gibt es keine statistisch signifikanten Verbesserungen der Patientenzufriedenheit. Dies ist nicht nur in Deutschland, sondern auch im angloamerikanischen Raum zu beobachten.
Vielleicht fehlen in den derzeitigen Befragungen wichtige Items. Eventuell müssten die Befragungen viel spezifischer auf das Erkrankungsbild bezogen sein. Das Verstehen und Messen von PatientenErleben werden uns auf jeden Fall in den nächsten Jahren intensiv beschäftigen. Hier arbeiten wir mit unterschiedlichen Akteuren wissenschaftlich zusammen.
Das Institut hat das PatientenErleben als die Summe aller Interaktionen definiert, die zwischen Patientin oder Patient und einer Klinik stattfinden. Es umfasst sowohl Infrastruktur und Prozesse, analoge sowie digitale Informationen als auch Empathie und Kommunikation. Das PatientenErleben setzt sich demnach aus vielschichtigen Aspekten zusammen. Wie gehen Sie so ein komplexes Thema an?
Gerigk:
Stimmt, das PatientenErleben beginnt mit dem ersten „Eindruck“, der z. B. während eines Telefonats entsteht, wenn ein Termin vereinbart wird. Der Versuch in der Nähe der Klinik einen Parkplatz zu ergattern gehört genauso dazu, wie der Aufwand, den wir benötigen, um uns auf dem Klinikgelände zu orientieren. Dabei spielt die persönliche Begegnung mit den Mitarbeitenden und deren Haltung eine prägende Rolle. Deshalb ist es für uns so wichtig unsere Mitarbeitenden für Patientenanforderungen zu (re-)sensibilisieren. Konkret greifen wir das Thema zum Beispiel in der zentralen Einführungsveranstaltung auf. Wir schaffen ein Bewusstsein dafür, was schon gut läuft und dafür, wo es Entwicklungspotenziale gibt, wie z.B. bei der empathischen, exzellenten Kommunikation mit den Patienten und auch den Mitarbeitenden untereinander.
Zu den ersten Schritten nach der Gründung des Instituts gehörte die Bildung einer Lenkungsgruppe PatientenErleben mit den Praktikern der unterschiedlichen Hierarchieebenen und Standorte der Universitätsmedizin Essen. Diese Mitarbeiter sind sowohl Multiplikatoren zum Thema PatientenErleben in ihren Bereichen als auch Impulsgeber und Mitgestalter in den Projekten des Instituts.
Ganz wichtig ist uns auch die Zusammenarbeit mit Patienten und Vertretern aus der Selbsthilfeszene.
Können Sie uns zu der Zusammenarbeit mit den Selbsthilfegruppen mehr berichten?
Gerigk:
Gerne: Ganz allgemein halten wir zu den Gruppen regelmäßigen Kontakt und suchen den Dialog mit den Betroffenen. Daraus entwickeln sich gemeinsame Aktionen: Durch eine Spendenaktion am WTZ Krebspatiententag 2018 konnte beispielsweise für die Selbsthilfegruppen ein Klavier gekauft werden, mit dem die Selbsthilfegruppen musizieren können. Das Institut ist seit April 2019 auch offizieller Ansprechpartner für das Thema Selbsthilfe in der UME. Wir möchten die bisherige Zusammenarbeit vertiefen und festigen und neue Formate zum Thema Selbsthilfe entwickeln.
Im Team des Instituts für PatientenErleben, kommen Erfahrungen und Perspektiven aus dem Management, der Pflege und dem Hotelwesen zusammen. Wie wirkt sich das aus?
Gerigk:
Aus meiner bisherigeren Arbeitspraxis weiß ich: Es gilt sensibel vorzugehen, wenn man im Krankenhaus arbeitenden Menschen sagt; es geht hier um den Patienten und seine Angehörigen.
Meine Kollegin, Frau Rosowski bringt von ihrem Background im Hotelwesen bzw. der Tourismusbranche die Grundeinstellung mit: Der Patient ist unser Gast! Da lassen sich Parallelen zum PatientenErleben ziehen. Es ist wie im Urlaub: ist das Zimmer sauber, das Essen schmackhaft und das Personal freundlich und aufrichtig, dann fühlt sich der Gast wohl.
Wir sollten immer im Blick haben, dass die Menschen, die zu uns kommen, mehr sind als ihr Krankheitsbild. Zwischen den Behandlungen und dem Krankenhausalltag ist es für sie wichtig, sich ein Stück Normalität zu erhalten.
Welche Herausforderungen prägen Ihren Arbeitsalltag?
Gerigk:
Um eine echte Patientenzentrierung zu erreichen, ist es an vielen Stellen notwendig umzudenken. Und dies gilt für alle(!) Mitarbeitenden in der Organisation. Das wird nicht durch Einzelmaßnahmen erreicht. Stattdessen müssen wir einmal angestoßene Veränderungen nachhalten. Eine Herausforderung für die Mitarbeitenden und auch uns ist es, mal nicht sofort zu wissen, wie die Lösung aussieht und dennoch am Ball zu bleiben.
Welche Themen stehen für die Zukunft auf Ihrer Agenda?
Gerigk:
Oh, da steht einiges:
Wir werden einen Institutsbeirat gründen. Wir wollen PatientenErleben in Forschungsprojekte integrieren und insbesondere die Messung des Patientenerleben weiterentwickeln.
Wir organisieren öffentliche Veranstaltungen wie z.B. den Krebspatiententag Ruhr 2020 und den Tag des Patienten 2020.
Ein weiteres Projekt ist eine für Angehörige freundliche Intensivstation. “Exzellente und empathische Kommunikation“ ist eines der beiden Topthemen der Lenkungsgruppe PatientenErleben. Ein anderes Thema ist es, Wohlfühlcharakter in Räumlichkeiten für unsere Patienten und deren Angehörige zu schaffen.
Auf unserer Website kann man sich über unsere Projekte auf dem Laufenden halten.
Welche Rolle spielt die Gestaltung der Räumlichkeiten aus Ihrer Sicht?
Gerigk:
Räumlichkeiten wirken auf uns. Sie können uns stressen oder auch entstressen. Patienten und Angehörige wünschen sich Ruhe-Oasen, in denen sie „Normalität“ in der Erkrankungsphase leben dürfen. Dazu können zeitgemäß und weniger institutionell gestaltete Räumlichkeiten entscheidend beitragen.
Frau Gerigk, vielen Dank für das Gespräch. Wir wünschen Ihnen für Ihre Projekte alles Gute.
Monja Gerigk ist Leiterin des Instituts für PatientenErleben an der Universitätsmedizin Essen.
Ihre Karriere begann sie mit einer Ausbildung zur Kinderkrankenschwester. Es folgten Abschlüsse als Fachschwester für Anästhesie und Intensivmedizin, Pharmareferentin und Bachelor of Business Administration (im Gesundheits- und Sozialwesen).
Darüber hinaus ist sie lizenzierte Steinbeis Beraterin und hat sich zur Moderatorin, Qualitätsmanagerin und Auditorin EFQM, Klinischen Risikomanagerin ONR 49003:2014 sowie zum Systemischen Business Coach und Teamcoach weiterqualifiziert.