In Gesprächen mit Entscheidungsträgern und Mitarbeitern in Kliniken und Krankenhäusern, ist mir folgendes Phänomen begegnet. Im Grunde sind sich alle einig: die Zusammenarbeit der Mitarbeiter ist leichter, wenn Arbeitsabläufe einheitlich strukturiert werden. Jeder weiß, was zu tun ist. Personalbedarf ist besser planbar. Schichtwechsel werden einfacher usw.. Sobald jedoch ein Prozess optimiert wird, um zum Beispiel Abläufe zu beschleunigen, Fehler einzudämmen und die Patientensicherheit zu erhöhen, kommt es plötzlich zu Reibungen bei der Umsetzung. Der neue Prozess sieht auf dem Papier besser aus als in der Praxis. Zum Beispiel schafft er mehr Sicherheit, erhöht dabei jedoch die Arbeitsbelastung. Oder es kommt zu kleinen „Sabotageakten“ von Mitarbeitern, weil sie das ja schließlich „noch nie so gemacht haben“ und es „früher auch funktioniert hat“. In beiden Fällen leiden die Realisierung der Verbesserung und die Mitarbeiterzufriedenheit. Kennen Sie das?
Was können Sie tun, um die Einführung von neuen Prozessen reibungsfrei zu gestalten?
Salopp gesagt: Sie setzen Ihren Mitarbeiter die „Optimierung“ nicht einfach vor die Nase. Stattdessen involvieren Sie sie von Anfang an in die Gestaltung von Prozessen. Dieser Ansatz findet sich unter den Stichworten Co-Creation, Co- oder Partizipatives Design. In diesem Artikel stelle ich Ihnen den Ansatz des Co-Designs vor und zeige Ihnen welche Vorteile er Ihnen bei der Einbindung und Motivation des (medizinischen) Personals bringt.
Co-Design in der Klinik. Was ist das?
Co-Design beruht auf dem Grundgedanken, dass ein Problem besser verstanden wird, wenn Designer, Produzenten und Verbraucher (bzw. alle an einem Prozess Beteiligten) es gemeinsam betrachten. Bezogen auf Prozesse in Krankenhaus und Klinik bedeutet es, dass wir die Sicht von Planern, Personal und Patienten in die Gestaltung einbeziehen.
Co-kreative Design-Methoden sind für uns also eine Möglichkeit, Mitarbeiter des Krankenhauses in die Planung von Arbeitsabläufen zu integrieren. Dies bedeutet nicht, dass das die Gestaltung der Arbeitsabläufe zu einem Gruppenentwurf wird. Die vorgeschlagenen Ideen und Lösungen werden immer iterativ gefiltert. Co-Design zielt darauf ab, mögliche Richtungen zu erforschen und eine Vielzahl von Perspektiven zu sammeln. Das Ergebnis von Methoden des Co-Designs wird als Inspiration für das Kernplanungs-Team verwendet, das es in den nächsten Phasen den Arbeitsablauf weiterentwickeln und verfeinern muss.
Was bringt Co-Design in der Klinik?
Co-Design ist ein Designansatz, der in vielen Bereichen eingesetzt wird. Insbesondere in der kommunalen Stadtplanung hat er sich etabliert. Er hilft Designern und Architekten die Motivationen und Bedürfnisse der verschiedenen Beteiligten zu verstehen. Das Ziel ist, innovativere und vor allem passende Konzepte zu entwickeln.
Ein großer Vorteil von Co-Design ist, dass es die zukünftige Implementierung von Prozessen erleichtert, da Interessengruppen zusammenkommen und ein Gefühl der gemeinsamen Verantwortung für die Konzepte und Innovationen entsteht. Das wirkt sich messbar auf die Mitarbeiterzufriedenheit aus.
Die mit Co-Design geplanten Arbeitsabläufe sind also passgenauer und werden besser akzeptiert, weil sie Mitarbeiter von Anfang an „mitnehmen“.
Design-Methoden aus dem Co-Design, die für die Einbindung von Mitarbeitern in Veränderungsprozesse sorgen:
Hier komme ich zu einer Auswahl konkreter Design-Methoden, die sich für Co-Design eigen.
Stakeholdermap
Zu Beginn eines Co-kreativen Projektes, benötigen Sie einen Überblick über alle Beteiligten, die für den Prozess, den sie strukturieren oder verbessern möchten (z.B. Visite), eine direkte oder indirekte Rolle spielen. Eine Stakeholdermap ist eine visuelle Repräsentation der involvierten Interessengruppen, deren Motivationen und dem Zusammenspiel zwischen diesen Gruppen.
Um eine »Stakeholdermap« zu erstellen, wird als erstes eine Liste mit allen Beteiligten erstellt. Das sind zum Beispiel Patient, Oberarzt, Assistenzärzte und Pflegepersonal. Vergessen Sie nicht solche Gruppen, die „am Rande“ beteiligt sind. Was machen zum Beispiel die Besucher des Patienten während der Visite? Welche Rolle spielen Physiotherapeut, Reinigungskraft oder Hausmeister?
Ist die Liste erstellt, werden Funktion, Motivation und Ziele der jeweiligen Akteure notiert. Diese Daten müssen meist erst durch andere Design-Methoden (z.B. Contextual Interview) erhoben werden.
Schließlich wird das Beziehungsgeflecht zischen den Akteuren erfasst. Dazu werden Fragen beantwortet wie:
Wie hängen die Personen zusammen?
Wie interagieren sie?
Wie häufig ist der Kontakt zwischen ihnen
Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit?
Nun kann die eigentliche „Karte“, also die Visualisierung, erstellt werden. Typisch ist hier eine kreisförmige Hierarchisierung bei der die direkt am Prozess Beteiligten in der Mitte der Karte platziert werden. Je mehr ihr Einfluss auf den jeweiligen Prozess sinkt, desto weiter weg vom Zentrum werden die Akteure angeordnet. Ziel der Visualisierung ist es die Daten so aufzubereiten, dass die Zusammenhänge leicht erfassbar werden. Gemeinsame Interessen verschiedener Beteiligter und mögliche Reibungspunkte sollen sichtbar werden.
Contextual Interviews / Kontextbezogene Interviews
Kontextbezogene Interviews kombinieren Beobachtungen mit Interviews. Um in der Klinik ein besseres Verständnis für einen Prozess zu gewinnen kann ein neutraler Beobachter die Beteiligten – also zum Beispiel einen Patienten oder eine Pflegekraft – während des Prozesses begleiten. Beobachter und Beobachteter arbeiten zusammen um den Prozess zu verstehen, Probleme zu erfassen, Ausrüstung und Einrichtung des Arbeitsplatzes zu dokumentieren und zu hinterfragen. Beobachtungen und die Diskussion darüber, was der Beobachtete getan hat und warum wechseln einander ab. Der Beobachter teilt während des Interviews Interpretationen und Einblicke mit dem Beobachteten. Dieser kann das Verständnis des Beobachters erweitern oder korrigieren. Die Ergebnisse sind qualitative, beobachtete Daten und nicht quantitative Messdaten. Der Fokus der Untersuchung hängt von den zuvor festgelegten Zielen eines Projektes ab und es ist Aufgabe des Beobachters das Interview Entsprechend des Untersuchungsfokus zu steuern. Es empfiehlt sich erfahrene Interviewer mit der Durchführung zu beauftragen. Als „Externe“ können Sie Informationen neutral aufnehmen, diese zusammenfassend aufbereiten und den Beobachteten damit eine gewisse Vertraulichkeit zugestehen.
Co-Design-Workshop
Co-Design-Workshops sind ausgezeichnet geeignet, um Ursachen für ein bekanntes Problem zu ergründen und konkrete Lösungsansätze zu erarbeiten. Designer übernehmen hier lediglich die Rolle der Moderatoren, Hauptakteure sind die Mitarbeiter oder/und Patienten selbst. Wenn sie Co-Creation erfolgreich in einen Workshop integrieren, müssen Designer eine Reihe von anfänglichen Hindernissen ausräumen: die Angst, das Falsche zu sagen, das Widerstreben, nicht mit einem Vorgesetzten überein zu stimmen, das Unbehagen mit den Prinzipien der Co-Creation nicht vertraut zu sein, müssen überwunden werden. Die Moderation durch die Designer soll außerdem sicherstellen, dass die Ergebnisse in die nächste Phase des Prozesses einbezogen werden können. Zu wissen, wann eine allgemeine Frage gestellt werden muss, um eine Diskussion zu eröffnen und wann ein bestimmter Punkt gefordert wird, um den Fokus wieder auf den zu überprüfenden Prozess zu bringen, ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass die Co-Design-Sitzungen reibungslos ablaufen.
Prototyping, Desktop Walkthrough, Role-Play
Prototyping ist eine Methode, bei der einfache Modelle zum schnellen überprüfen von Funktionen oder Services erstellt werden. Prototyping kann je nach dem, was überprüft wird, mit verschiedenen Werkzeugen ausgeführt werden. Von einfachen physischen Modellen, Papiermodellen, über digitale Modelle bis hin zu kleinen Schauspielstücken, in denen mögliche Szenen eines Services durchgespielt und überprüft werden.
Der Vorteil des Prototyping liegt in der schnellen Überprüfung mit einfachen Mitteln. So werden frühzeitig Fehler aufgedeckt und ausgeräumt. In USA gibt es Krankenhäuser, die vor dem Bau einer neuen Station ganze Hallen anmieten und mit Styroporwänden einen Prototyp der Station in realer Größe nachbauen. Diese werden dann mit richtigem Equipment ausgestattet, damit das medizinische Personal die Räume für mehrere Tage testen kann. Wenn festgestellt wird, dass an der ein oder anderen Stelle Platzmangel herrscht, können die Wände von den Mitarbeitern einfach verschoben werden oder Räume und Anschlüsse versetzt werden, um die Prozesse optimal zu gestalten.
Das sind die Vorraussetzungen unter denen Co-Design Wirkung zeigt:
Die oben beschriebenen Methoden eignen also bestens, um das interne Wissen über Ursachen für Probleme aufzudecken. Ideen entstehen gemeinsam mit den Mitarbeitern. Damit die gewünschte, positive Wirkung auf Akzeptanz neuer Lösungen und Mitarbeiterzufriedenheit sich entfaltet, sind zwei Punkte unerlässlich:
- Auf Workshops müssen Taten folgen.
- Mitarbeiter müssen sich in den Lösungen wiederfinden.
Co-Design Workshops sind eine Gelegenheit für Mitarbeiter, sich ihre Unzufriedenheit von der Seele zu reden. Finden die Sorgen der Mitarbeiter keine Resonanz, bleiben positive Effekte aus. Wenn Sie als Entscheider einer Klinik oder eines Krankenhauses einen Co-Design Prozess beginnen, sollten deshalb die zeitnahe Umsetzung von Ideen von Beginn an ins Auge fassen. Selbstverständlich müssen Ideen im Rahmen des Machbaren bleiben, d.h. auch im Rahmen des Budgets. Das erfordert Kompromisse. Co-Design vermittelt diese Kompromisse Mitarbeitern transparent. Doch auch von Führungskräften fordert Co-Design eine Offenheit für Lösungsansätze, mit denen sie im Vorfeld nicht gerechnet haben.
– Eine Offenheit, die sich für alle lohnt!