Der Großteil der Menschen sucht sich das Krankenhaus zwar nicht bewusst aus. Aber immerhin 30-40% gehen bei der Auswahl einer Klinik gezielt vor (Dietrich und Gapp; 2005). Diese können Sie durch gutes Klinikmarketing als Patienten gewinnen. Doch welche Informationskanäle nutzt der Patient? Wie wichtig sind die einzelnen Kanäle? Und wie entsteht die Entscheidung im Kopf des Patienten? In diesem Artikel beantworte ich diese Fragen und verrate Ihnen, wie Sie dieses Wissen im Klinikmarketing einsetzen.
Wo findet der Patient seine Informationen?
Krankenversicherungen bieten mehr und mehr eine Beratung zur Auswahl des richtigen Krankenhauses an. Eine wunderbare Idee, denn für den Patienten ist die Entscheidung sehr schwierig: Er möchte eine möglichst hochwertige, kompetente und komplikationsfreie Behandlung, ist aber aufgrund fehlender Erfahrungen und Fachwissen nicht in der Lage, die medizinische Qualität zu beurteilen. Die Krankenkassen hingegen haben einen sehr guten Überblick über die Kliniken.
Der Haken an dem Angebot der Kassen: Der Patient betrachtet es skeptisch. Wird hier nicht der Bock zum Gärtner gemacht? Wählt die Krankenkasse vielleicht gar nicht das beste Krankenhaus, sondern das günstigste? Die Beratungsangebote der Krankenversicherungen spielen bei der Wahl der Klinik eine untergeordnete Rolle.
Zu einer Entscheidung muss der Patient trotzdem kommen. Also holt er sich Informationen aus anderen Quellen. Folgende stehen ihm zur Verfügung:
- Empfehlungen seines Arztes
- Erfahrungsberichte aus seinem Bekanntenkreis bzw. persönlichen Umfeld
- Websites der Krankenhäuser
- Bewertungsportale
- Standardisierte Qualitätsberichte
Empfehlungen von niedergelassenen Ärzten sind die wichtigste Informationsquelle.
Unangefochten und mit weitem Abstand (70%) stellt der einweisende Arzt die wichtigste Quelle auf der Suche nach einem Krankenhaus dar. Er bringt die nötige Kompetenz mit, mit der er die Qualität der medizinischen Versorgung beurteilt. Darüber hinaus hat er, oft über Jahre, ein Vertrauensverhältnis zum Patienten aufgebaut.
Empfehlungen aus dem Bekanntenkreis bzw. persönlichen Umfeld wirken glaubwürdig.
Der Austausch mit anderen Patienten stellt die zweitwichtigste Informationsquelle dar. Persönliche Erfahrungsberichte aus dem direkten oder weiteren Umfeld haben eine hohe Glaubwürdigkeit. Der direkte Kontakt ist dabei wichtig, weil Nachfragen direkt beantwortet werden können. Dabei kann der Patient Empfehlungen aus dem weiteren Umfeld als glaubwürdiger einstufen als von direkten Angehörigen, da diese Urteile als neutraler eingesschätzt werden. Zudem muss hier zusätzlich in zwei Gruppen unterteilt werden: Bekannte, die mit den gleichen Problemen/Krankheitsbildern im Krankenhaus waren und solche, die nur von den grundsätzlichen Erfahrungen eines Hauses berichten können.
Websites der Krankenhäuser haben eine wachsende Bedeutung.
Die Webseite der Klinik als Informationsquelle wird für den Patienten zunehmend wichtiger. Hier wird der erste Eindruck des Patienten bereits geprägt und der Patient beurteilt, ob er der Klinik vertrauen kann, oder nicht. Das hängt jedoch vielmehr mit der Selbstdarstellung und der Offenheit des Hauses zusammen, als mit detaillierten Qualitätsberichten. Für den ersten Eindruck darf die Homepage also nicht unterschätzt werden, zumal der Onlineauftritt bei der Krankenhauswahl zukünftig sicher an Bedeutung gewinnt.
Bewertungsportale sind als Informationsquelle umstritten.
Über die Bedeutung von Bewertungsportalen als Quelle für die Krankenhauswahl lässt sich streiten. Experten werden nicht müde zu betonen, dass deren Wichtigkeit zunehmen wird, gerade bei den Jüngeren. Ein positives Beispiel ist die Weisse Liste: Durch die klare Informationsaufbereitung statistischer Daten ist der Patient in der Lage, die Einrichtungen zu vergleichen. Bei der Bedeutung von Erfahrungsberichten ist die Lage nicht so eindeutig: Hier kommt es sehr auf die Qualität des Berichtes an. So messen Patienten Berichten eine höhere Bedeutung zu, wenn diese sich an die Regeln des Storytellings halten. Das kann je nachdem dazu führen, dass ein Krankenhaus zum guten wie zum schlechten überbewertet wird.
Standardisierte Qualitätsberichte sind zu kompliziert.
Das Instrument der standardisierten Qualitätsberichte ist vielleicht als Benchmark unter den Kliniken von Bedeutung, nicht aber für den Patienten. Viel zu lang, zu detailliert und unverständlich sind die Informationen aufbereitet. Der Vergleich mehrerer Häuser gleicht einem Studium. Die meisten Patienten ignorieren die Berichte oder vereinfachen sie soweit, dass sie wieder wenig Aussagekraft haben. Im schlimmsten Fall sind Sie überfordert und verschieben die Suche bzw. den Krankenhausaufenthalt in die Zukunft.
Wie kommt der Patient zu einer Entscheidung?
Nun, jetzt hat der Patient sich gut informiert. Doch wie kommt er zu einer qualifizierten Entscheidung, welches Krankenhaus das Richtige für seine Bedürfnisse ist?
Die Qualität der Krankenhausversorgung ist ein klassisches Vertrauensgut. Da dem Patienten Vorerfahrung meist fehlen, muss er wohl oder übel einen Vertrauensvorschuss geben. Sprich:
Alles läuft auf die Frage heraus: Vertraue ich dem Krankenhaus?
Und wie bewertet der Patient, ob ein Krankenhaus vertrauenswürdig ist?
Letztlich vereinfacht der Patient seine Entscheidung. Er wählt sich, bewusst oder unbewusst, verschiedene Indikatoren heraus, die er als wichtig erachtet und fällt seine Entscheidung auf Basis von Heuristiken. Laut Drews und Gebele sind das:
- Bekannte Krankenhäuser = etabliertere Häuser = langfristiger erfolgreich = vertrauenswürdiger
- Krankenhäuser in unmittelbarer Umgebung = Teil der Heimat = vertrauenswürdiger
- Bilder von Gebäuden + Personen (auf Flyer/Website) = „Hab ich schonmal gesehen“ = vertrauenswürdiger
- Erfahrungsberichte im Stil des Storytelling = gut nachvollziehbar = informativ = Entscheidungshilfe
- Gemeinnützige/konfessionelle Krankenhäuser = weniger profitorientiert = höhere soziale Kompetenz = geringeres Risiko = vertrauenswürdiger
- Dazu im Gegensatz: Profitorientierte Krankenhäuser = leistungsfähiger = vertrauenswürdiger
- Große Krankenhäuser = anonymer = weniger patientenorientiert = weniger vertrauenswürdig
Was bedeutet das für das Krankenhausmarketing?
Krankenhausmarketing = Vertrauensaufbau! Punkt.
Das hilft Ihnen noch nicht? Dann lesen sie weiter: Die Konsumgüter-Industrie nämlich macht genau das schon seit vielen Jahrzehnten, und zwar unter dem Namen Markenaufbau. Auch dort geht es darum, Werte durch die Marke zu kommunizieren und somit Vertrauen aufzubauen. Auch wenn Sie noch nie eine Waschmaschine oder eine Bohrmaschine gekauft haben: Sie wissen, dass Bosch qualitativ hochwertige Geräte oder Miele besonders langlebige Haushaltsgeräte herstellt. Woher Sie das wissen, können Sie vermutlich nicht einmal benennen, aber beim Kauf vertrauen sie auf diesen Eindruck (vorausgesetzt natürlich, dass Sie dies Werte interessieren.) Einen derartigen Markenaufbau gibt es im Krankenhausbereich bisher nur sehr vereinzelt.
Das Problem der Kliniken wurde von vielen Häusern selbst erkannt: Die Differenzierung der Krankenhäuser ist sehr schwer, da die Leistungen der Mitbewerber fast deckungsgleich sind. Das bestätigt die Studie „Markenbildung in der Gesundheitswirtschaft” der Fachhochschule Flensburg (2009), bei der 75,3 Kliniken der Meinung waren, Ihre Leistung sei ersetzbar durch ein Haus in ihrer Umgebung. Nicht einfacher machen es die negativen Assoziationen mit dem Thema Krankenhaus: Krankheit, Schmerz, unangenehmer Geruch, Tod.
Dass es nicht leicht ist, heißt aber nicht, dass es unmöglich ist. Das beweisen ein paar wenige gute Beispiele:
- Die Charité wird als innovativ empfunden.
- Andere, kleinere Kliniken haben sich spezialisiert auf ein bestimmtes Krankheitsbild. (Z.B. das Universitätsklinikum Eppendorf auf Prostatakarzinome. 70% der Patienten kommen nicht aus Hamburg, sondern nehmen weite Wege aus Deutschland in Kauf. )
Natürlich braucht jede Klinik ihre eigene Strategie. Das hört sich nach viel Arbeit an. Und das ist es auch. Gute Beispiele der Industrie und dem Gesundheitswesen zu analysieren ist dabei ein guter Einstieg um eigene Maßnahmen zu entwickeln.