Farbe wirkt
Wir nehmen Farbe wahr, bevor wir Formen wahrnehmen. Diese reflexartige Reaktion auf Farbe ist im primitiven Mittelhirn verankert. Farbe, die nichts anderes ist als unsere Wahrnehmung von Licht mit verschiedenen Wellenlängen, wirkt auf mehreren Ebenen:
- Farben helfen uns bei der Orientierung und werden als wichtiges Mittel der Wiedererkennung genutzt.
- Sie beeinflussen unser Raumgefühl und lösen unbewusste Reaktionen und Assoziationen aus.
„Die Farben verursachen Empfindungen wie kalt und warm, schwer und leicht, fragil und fest, aus denen wieder Gefühle entstehen, wie angenehm oder unangenehm, freundlich oder unfreundlich, erhebend oder gleichgültig. Darauf folgen intuitive Vorstellungen, die eine automatisch ausgelöste Suche nach empfundenen Gefühlen mit Erlebnischarakteristiken enthalten.“1
Farbe und Heilung
Der Ansatz, dass Farben auch den Heilungsprozess beeinflussen, fand und findet sich in vielen Kulturen. Farbtherapien lassen sich bereits in der Antike, im prähistorischen Peru, in Mexiko und im alten Indien nachweisen. Heute spielen Farben in der Traditionellen Chinesischen Medizin eine wichtige Rolle. Auch in der westlichen Kultur haben sich verschiedenen Formen der Farbtherapie entwickelt. Dabei werden Farben Wirkungen auf den Organismus zugeschrieben, die über (kulturell geprägte) Assoziationen hinausgehen. Zum Beispiel wird der Farbe Orange folgende Wirkung zugeordnet: Orange sei die Farbe der sanften Energie. Sie verbessere die Beweglichkeit von Gelenken (z.B. bei Arthrose), wirke positiv bei Depressionen und Einsamkeitsgefühlen und lasse bei Atemwegsbeschwerden freier Atmen.
Farbe und Wohlbefinden
Ausreichende Belege für die in der Farbtherapie beschriebenen Effekte gibt es nicht. Allerdings gibt es wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse aus Farbpsychologie, Innenachitektur und dem Fachbereich der „Healing Architecture“, die wir uns für die farbliche Gestaltung von Krankenhäusern und Kliniken zu Eigen machen können, mit den Zielen:
- das Wohlbefinden der Patienten zu steigern und dadurch den Heilungsprozess zu unterstützen
- und die Arbeitsbedingungen für das medizinische Personal zu verbessern.
„Wir wissen (beispielsweise), dass bestimmte Farben gleiche kollektivwirksame Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster auslösen: Eine gänzlich blaue Umgebung löst Kaltempfinden aus und lässt uns frieren. Rottöne bewirken genau das Gegenteil, sie vermitteln Wärme.“1
Räume wirken durch helle Farben größer, dunkle Decken wirken niedriger. Zu Helle Böden verunsichern Menschen, geben Ihnen keinen visuellen Halt. Ein langer Flur wird als kürzer wahrgenommen, wenn die Wand am Ende dunkel gefärbt ist und so weiter.
„Bereits 1984 schrieb der texanische Architekturprofessor Roger Ulrich in einer Fachpublikation: “Der Blick durch ein Fenster kann die Regeneration nach einem chirurgischen Eingriff beeinflussen.” Dazu beobachtete Ulrich zwei Patientengruppen, an denen man identische OPs durchführte. Eine Gruppe kurierte ihre Wunden in normaler Krankenhausumgebung aus, nur mit dem faden Blick auf ein anderes Gebäude. Eine zweite Gruppe durfte während der Rekonvaleszenz jedoch auf Bäume blicken. Das Ergebnis: Der Klinikaufenthalt verkürzte sich deutlich, Probanden der zweiten Gruppe durchlebten weniger Komplikationen, nahmen weniger Schmerzmittel ein und litten seltener unter Depressionen.“2
Beispiele für den gezielten Farbeinsatz in Krankenhäusern und Kliniken
Lassen Sie mich den konkreten Nutzen von Farben als Wohlfühlfaktor an konkreten Beispielen zeigen:
Personalräume
Personalräume sollten sich deutlich von den Patienten- und Behandlungszimmern unterscheiden, um dem Personal auch „optisch“ eine Pause zu gönnen. Diese Räume dienen der Regeneration, der Erholung und dem Kräftetanken. Das angewendete Farbschema sollte Klarheit, Frische und Lebensfreude ausstrahlen und darf mit kräftigeren Akzenten versehen sein.
Massage- und Bestrahlungsräume
In diesen Räumen sollen den Patienten die Ängste genommen werden und sie sollen sich entspannen. Es bieten sich Abstufungen von Hellblau bis Graurosa an. In EKG-Räumen sind Grau-Blau-Töne zu empfehlen.
OP-Räume
Konzentration, Ermüdungsfreiheit und optimale Sehbedingungen sind hier das oberste Gebot. Graugrün bis Graublautöne wirken hier unterstützend. Matte Oberflächen verringern störende Reflexionen und Spiegelungen.
Patientenzimmer
Im Patientenzimmer steigern Sonnentöne das Wohlgefühl. Aber Achtung: Der Bettenkopf sollte neutral gehalten werden, um die Beurteilung des Patienten nicht durch Reflexionen zu beeinflussen. Die gilt auch für die Intensität der Farbe im Raum. Ist ein Raum in leuchtendem Orange gestrichen, so erscheint der Patient im Auge des Betrachters evtl. vitaler, als er wirklich ist.
Genau diesen Effekt aber kann im Nassbereich genutzt werden, um den Patienten zu motivieren. Der Nassbereich sollte sich farblich vom Zimmer unterscheiden. Hier sollten die Farben so gewählt werden, dass der Patient vitaler wirkt, wenn er in den Spiegel schaut. Das heißt, neben dem Spiegel sollten warme Farbtöne eingesetzt werden. Wenn die gegenüberliegende Wand dann noch in einem kühleren Farbton, z.B. blau-grün, gehalten ist, verstärkt dies die Wirkung zusätzlich (Komplementärkontrast).
Besonderes Augenmerk verdient der Sichtbereich des liegenden Patienten (also Decke und gegenüberliegende Wand.) Er sollte beruhigend oder leicht anregend gestaltet sein. An die Natur angelehnten Motive wirken sich hier positiv auf den Heilungsprozess aus. Eine Reizüberflutung durch den übermäßigen Einsatz von Ornamenten ist zu vermeiden.
Neue technische Möglichkeiten: Lichtfarben in Krankenhäusern
Seit wenigen Jahren nimmt der Einsatz von RGB-LED-Lichtern in Krankenhäusern zu. Das eröffnet vollkommen neue Möglichkeiten in der Raumgestaltung. Denn nun können nicht nur Patienten sich ihr Zimmer oder Ihr Bett je nach Stimmung individualisieren, sondern durch die Veränderung der Farbe und der Helligkeit kann das Licht auch den Tageszeiten angepasst werden.
Philips arbeitet seit nun ca. 10 Jahren im Bereich Healing Environment und entwickelt weltweit mit Kunden Lösungen im Bereich der Ambiente Experience. Durch spezielle Licht- und Sound-Anwendungen kann die Atmosphäre eines Raumes damit komplett verändert werden. So kann die Lichttemperatur an die Tageszeit angepasst werden. Kommt der Arzt zur Visite, stellt er für diese Zeit auf ein helles, neutrales Licht um, um den Zustand des Patienten besser beurteilen zu können. Die beeindruckensten Beispiele finden sich jedoch unter den Anwendungen in Diagnoseräumen, bei denen Patienten naturgemäß große Ängste haben. Hier kann der Patient die Stimmung des Raumes nach Themengebieten selbst auswählen. Eine Kombination aus Raumlicht, einer Bildprojektion und dem entsprechenden Sound lassen den Patienten abtauchen in eine eigene Welt und lenken Ihn somit von dem eigentlichen Grund des Aufenthalts ab.
Am Virchow-Klinikum der Charité läuft gerade eine medizinische Studie über den Einfluss von der Umgebung auf den Heilungsprozess. Neben der Geräuschkulisse und der Möblierung der Versuchszimmer der Intensivstation steht dabei eine Lichtdecke im Zentrum, deren Hauptfunktion die Simulation des Tageslichtes ist. Dabei werden Echtzeitwetterdaten genutzt, um den aktuellen Himmel Berlins zu simulieren und dem Patient eine Orientierung zu bieten. Noch ist die Studie nicht abgeschlossen, aber es lässt sich bereits sagen, dass sich durch den Einsatz des richtigen Lichts der Melatoninspiegel senken lässt. Das führt zu aktiveren Patienten, die besser am eigenen Heilungsprozess mitarbeiten können und zu weniger Medikamenteneinsatz.
Das Licht in normalen Zimmern ist dafür nicht hell genug. Andere Lichtquellen, die bereits dazu Verwendung finden, sind zu klein und zu hell und damit kontraproduktiv, da Sie das Delirrisiko verstärken.
Besonderer Nutzen von Farbe bei der Umgestaltung bestehender Klinken
Beim Neubau von Gesundheitseinrichtung gewinnt das Konzept der Healing Environments an Einfluss. Farbe ist aber auch da ein mächtiges Gestaltungsmittel, wo nicht jedes Zimmer einen Blick ins Grüne hat und dort, wo lange Flure dominieren: In bestehenden Kliniken und Krankenhäuser. Und es ist ein relativ preiswertes Mittel. Ein paar Eimer Farbe reichen aus, um die Wirkung einer Station stark zu verbessern. Naja, theoretisch zumindest. Bevor sie also gleich aktiv werden und eine Mitarbeiterin aus dem Klinikmarketing beauftragen, die Feinheiten mit dem Maler abzustimmen lesen Sie noch etwas weiter. Der Entwurf eines Farbkonzeptes ist nämlich komplex. Weshalb sich professionelle Unterstützung lohnt. Denn um ehrlich zu sein, hab ich bisher eines Unterschlagen: die Wirkung eines Raumes bestimmt nicht die Wandfarbe allein. Vielmehr spielen die Farbkombinationen, die sich durch das Zusammenspiel aus Wandfarbe, Möblierung, Textilien und Wohnassecoirs entstehen. Und es gibt noch mehr was es zu beachten gilt, denn im Krankenhaus hat Farbe mind. Noch zwei weitere Funktionen als die Steigerung des Wohlgefühls von Patienten und medizinischem Personal:
- Vermittlung eines Corporate Designs als Teil der Markenkommunikation
- Orientierungshilfe für Patienten
Das führt machnmal zu Konflikten, die durch ein ganzheitliche Farbkonzept gelöst werden müssen.
Ob Interior Designer oder Maler mit Zusatzausbildung, achten sie bei der Auswahl ihrer Ihrer Partner darauf, dass alle drei Bereiche, also Wohlgefühl, Coporate Design und Orientierung beachtet werden.